Die Tage ist also das neue Album der Toten Hosen erschienen. Laune der Natur hat dabei einen schweren Stand. Viel ist seit 2012 geschehen, seit der Vorgänger Ballast der Republik erschien und die Band es mit der Single Tage wie diese bis auf die Wahlsieg Feier der CDU geschafft hat. Die Toten Hosen sind Mainstream geworden. Haha, sind sie das nicht schon seit 10 kleine Jägermeister?
Seien wir ehrlich: Ob trotz oder wegen Tage wie diese, Ballast der Republik ist kein überzeugendes Album, genauso wenig wie eigentlich alle Veröffentlichungen seit Opium Fürs Volk (1996). Neben ein paar netten bis guten Liedern gibt es immer viel Standard-Hosen-Zeugs und auch immer die eine oder andere Fremdschäm-Nummer. Das hat Tradition.
Der Druck von allen Seiten wird enorm gewesen sein für Laune der Natur. Dazu die Omnipräsenz von Campino in den Medien (inkl. des lächerlichen Böhmermann Streits) und die auf Nummer sicher gehende Vorabsingle Unter den Wolken. Gerade Letztere zeigt, dass Die Toten Hosen mittlerweile ein großes Unternehmen sind: Arbeitsplätze wollen gesichert werden, bitte also nicht zu viel Risiko eingehen.
Was zählt ist im Ring
Die Zeichen stehen nicht gut für Laune der Natur und manch ein Blogger wird seinen Verriss schon vor dem ersten Hören im Geiste verfasst haben.
Doch Vorgeschichte beiseite, was zählt ist im Ring bzw. was aus den Boxen kommt: Und Urknall zündet gewaltig: „Champagner, Empfang da – was soll das? Wir wollen zurück auf den Bolzplatz.“ Der Song prescht unbändig nach vorne als hätte sich die Band einer Frischzellenkur unterzogen. Bereits beim hervorragenden Alles mit nach Hause wird jedoch klar, dass wir es mit den Hosen 2017 zu tun haben. Der Dreck ist weg, es klingt clean genug fürs Stadion. Das schadet dem Song zum Glück nicht. Auftakt klingt frisch und ist geglückt.
Wannsee holt uns in die Realität zurück. Der erste Kandidat zum Fremdschämen, dem wenig später mit Energie ein zweiter Song zur Seite gestellt wird. Besser sind da schon die Hosen Standardnummern wie dem angenehm an Bonnie & Clyde erinnernden Die Schöne und das Biest oder dem zum Mitgröhlen einladenden Wie viele Jahre (Hasta la Muerte).
Natürlich es sind immer noch Die Toten Hosen und muss man sich auf teilweise plakative Texte („Lass los und komm in meine Arme, Gib mir ’nen Kuss und halt mich noch einmal, Als einen Beweis, dass wir vergeben können, Und unser Ende kein Scherbenhaufen war“) und viel Background Woohoos einlassen. Gerade Pop & Politik und darauf Laune der Natur sind so direkt nacheinander grenzwertig.
Der Verlust schwingt mit
Seit dem letzten Album hat die Band ihren Manager und Ex-Schlagzeugers Wolfgang „Wölli“ Rohde verloren. Jeweils mit einem Lied gedenken sie den Wegbegleitern, wobei besonders Kein Grund zur Traurigkeit heraussticht. Dieses Lied stammt von Wöllis Soloalbum und wurde mit den Originalgesangsspuren erneut aufgenommen, dezent mit Campino im Hintergrund begleitend. Ein Johnny Cash Moment, wie man vereinzelt liest, ist es zwar nicht, aber dennoch berührt das kleine Lied durch die positive Ausstrahlung in der Stimme Wöllis. Ein starker Albumabschluß.
Empfehlenswert für Fans von Kauf mich
Die Band zielt textlich und musikalisch offensichtlich auf die Hörer, die Kauf Mich oder Opium Fürs Volk im Regal stehen haben. Das Plan geht auf und Laune der Natur ist über weite Strecken überraschend gut geworden. Sogar die Single Unter den Wolken funktioniert im Albumkontext besser. Machen wir uns nichts vor, das Album ist Stadion Pop-Punk, wenn es denn so etwas überhaupt gibt, und darin ist es richtig gut.
#RECUT – Lasst Wannsee, Energie und Eine Handvoll Erde weg und platziert nach Pop & Politik die Starke B-Seite Totes Meer und ihr habt ein durchweg überzeugendes Album!