Hot Water Music haben sich ein weiteres Mal aufgerappelt und ihr neuntes Album Feel The Void veröffentlicht. Zwischen Bangen und Hoffen habe ich die Nachricht aufgenommen. Punk- und Hardcore Bands im mittleren Alter haben es schwer, überzeugende Alben zwischen Fanbase, Fun und eigenem Anspruch zu machen. Umso befreiender wirkt Feel The Void nach ein paar Durchläufen.
Fragt mal Incubus-, Thrice- oder Red Hot Chili Pepper Fans nach ihren Lieblingsalben. Selten kommen die letzten Werke so richtig gut weg. Zu oft sind einzelne Tracks spannend und im besten Fall stark, aber auf Albumlänge wird’s schnell langweilig und vorhersehbar. Gleichzeitig fehlt die Power von früher und manchmal sogar das Tempo (unkt da jemand „Mid-Tempo“?). Selbst den großartigen Pearl Jam ist mit Lightning Bolt so ein Ausrutscher passiert. Dann haben sie sich mit Gigaton wieder rausgezogen. Und wie? Mit starken Songs und Spielfreude.
Doch zurück zu Feel The Void
Warum ich ausschweife? Hot Water Music ist in einer ähnlichen Situation. Die beiden letzten Alben Exister und Light it up waren gut, aber 3-4 Knaller-Songs retteten das Füllmaterial über die „ein durchaus gutes Album“-Meßlatte. Hand aufs Herz, habt ihr die Alben 6 Monate nach Veröffentlichung noch häufig rausgekramt und durchgängig gehört? Ich nicht. Und ich hoffte inständig, dass Feel the Void dieses Schicksal nicht ereilt.
Aber dann hauen einem die Jungs aus Gainesville mal eben zwölf durchgängig starke Songs, mit viel Abwechslung und Spielfreude um die Ohren. Hell Yeah!
Das düstere, unheilvolle Another Breath leitet die Platte gekonnt ein – nicht ganz so hymnisch wie einst Complicated auf Light It Up, aber durch die verzwackten Rhythmen und Gesangslinien ein absoluter Grower. Hymnisch geht’s im Anschluß mit der ersten Single Killing Time zu. Beim folgenden Newton Scraper fällt besonders der funkige Bass in der Strophe auf, der sich wenig später in einen typischen Hot Water Music Ohrwurm-Refrain auflöst. Habitual klingt nach Chuck Ragans starken Solo-Album. Sein bisher persönlichster Song handelt von Krebs-Erkrankungen im näheren Umfeld, wobei nicht das Leid oder die Krankheit, sondern der Hoffnungsschimmer und der Wille zu Kämpfen, textlich im Vordergrund steht. Die positive Energie transportiert der Song eindrucksvoll. Vier Lieder – vier absolute Volltreffer.
Hohes Niveau wird gehalten
Und so geht’s weiter. Collect your things and run feiert das Leben und ist im klassischen Hot Water Music Punk-Gewand inkl. Skater Video. Der Titeltrack erinnert mit seinem laut/leise Spiel an Newton Scraper und hat dabei wieder so einen unverschämt mitreissenden Refrain. Neu im Lineup ist der Flatliners Mann Newcomer Chris Cresswell, der im melancholischen Turn the dial auch gleich mit frischer Stimme für Abwechslung sorgt. Einstand gelungen.
Mit Punk Sing-Alongs wie Scratch On, die Kunst der Dramatik in Ride High und noch einmal Power in Form des Rausschmeißers Lock Up macht die Band den Sack zu. Ja, hier sind die Woohoo Chöre etwas over-the-top. Aber das ist nach so einem Ritt geschenkt.
Zusammengefasst
Hot Water Music melden sich in Topform zurück. Feel The Void löst an vielen Stellen ein, was die Vorgänger versprochen haben. Großartige Songs, viel Abwechslung und mit vollem Herzblut nach vorne geprescht – Das scheint das Erfolgsrezept gegen mittelmäßige Alben im mittleren Bandalter zu sein. Und jetzt seid ihr am Zuge Thrice, Incubus und Co.