Hot Water Music - Feel The Void

Hot Water Music haben sich ein weiteres Mal aufgerappelt und ihr neuntes Album Feel The Void veröffentlicht. Zwischen Bangen und Hoffen habe ich die Nachricht aufgenommen. Punk- und Hardcore Bands im mittleren Alter haben es schwer, überzeugende Alben zwischen Fanbase, Fun und eigenem Anspruch zu machen. Umso befreiender wirkt Feel The Void nach ein paar Durchläufen.

Fragt mal Incubus-, Thrice- oder Red Hot Chili Pepper Fans nach ihren Lieblingsalben. Selten kommen die letzten Werke so richtig gut weg. Zu oft sind einzelne Tracks spannend und im besten Fall stark, aber auf Albumlänge wird’s schnell langweilig und vorhersehbar. Gleichzeitig fehlt die Power von früher und manchmal sogar das Tempo (unkt da jemand „Mid-Tempo“?). Selbst den großartigen Pearl Jam ist mit Lightning Bolt so ein Ausrutscher passiert. Dann haben sie sich mit Gigaton wieder rausgezogen. Und wie? Mit starken Songs und Spielfreude.

Doch zurück zu Feel The Void

Warum ich ausschweife? Hot Water Music ist in einer ähnlichen Situation. Die beiden letzten Alben Exister und Light it up waren gut, aber 3-4 Knaller-Songs retteten das Füllmaterial über die „ein durchaus gutes Album“-Meßlatte. Hand aufs Herz, habt ihr die Alben 6 Monate nach Veröffentlichung noch häufig rausgekramt und durchgängig gehört? Ich nicht. Und ich hoffte inständig, dass Feel the Void dieses Schicksal nicht ereilt.

Hot Water Music 2022

Aber dann hauen einem die Jungs aus Gainesville mal eben zwölf durchgängig starke Songs, mit viel Abwechslung und Spielfreude um die Ohren. Hell Yeah!

Das düstere, unheilvolle Another Breath leitet die Platte gekonnt ein – nicht ganz so hymnisch wie einst Complicated auf Light It Up, aber durch die verzwackten Rhythmen und Gesangslinien ein absoluter Grower. Hymnisch geht’s im Anschluß mit der ersten Single Killing Time zu. Beim folgenden Newton Scraper fällt besonders der funkige Bass in der Strophe auf, der sich wenig später in einen typischen Hot Water Music Ohrwurm-Refrain auflöst. Habitual klingt nach Chuck Ragans starken Solo-Album. Sein bisher persönlichster Song handelt von Krebs-Erkrankungen im näheren Umfeld, wobei nicht das Leid oder die Krankheit, sondern der Hoffnungsschimmer und der Wille zu Kämpfen, textlich im Vordergrund steht. Die positive Energie transportiert der Song eindrucksvoll. Vier Lieder – vier absolute Volltreffer.

Hohes Niveau wird gehalten

Und so geht’s weiter. Collect your things and run feiert das Leben und ist im klassischen Hot Water Music Punk-Gewand inkl. Skater Video. Der Titeltrack erinnert mit seinem laut/leise Spiel an Newton Scraper und hat dabei wieder so einen unverschämt mitreissenden Refrain. Neu im Lineup ist der Flatliners Mann Newcomer Chris Cresswell, der im melancholischen Turn the dial auch gleich mit frischer Stimme für Abwechslung sorgt. Einstand gelungen.

Mit Punk Sing-Alongs wie Scratch On, die Kunst der Dramatik in Ride High und noch einmal Power in Form des Rausschmeißers Lock Up macht die Band den Sack zu. Ja, hier sind die Woohoo Chöre etwas over-the-top. Aber das ist nach so einem Ritt geschenkt.

Zusammengefasst

Hot Water Music melden sich in Topform zurück. Feel The Void löst an vielen Stellen ein, was die Vorgänger versprochen haben. Großartige Songs, viel Abwechslung und mit vollem Herzblut nach vorne geprescht – Das scheint das Erfolgsrezept gegen mittelmäßige Alben im mittleren Bandalter zu sein. Und jetzt seid ihr am Zuge Thrice, Incubus und Co.

Fury In The Slaughterhouse - NOW

Fury In the Slaughterhouse? Echt jetzt? Lasst uns gleich den Elefanten im Raum ansprechen. Ja, die folgende Kritik beschäftigt sich mit Pop-Rock Songs, die ohne Weiteres im Radio laufen. Und ja, in der folgenden Kritik schwingt eine Menge Nostalgie mit… So, jetzt können wir loslegen, und uns mit dem aktuellen Album NOW von der Band aus Hannover in Ruhe beschäftigen.

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Blackmail - 1997-2013 (Best Of + Rare Tracks)

Das fehlte Blackmail bisher: Dieser Tage erscheint eine Werkschau mit dem pragmatischen Namen 1994-2013 (Best of + Rare Tracks). Da die Band seit sieben Jahren pausiert, schwingt bei diesem Lebenszeichen auch ein wenig Sorge mit. Denn Indie-Deutschland braucht noch immer diese Genre-prägende Band aus Koblenz. Das beweist das vorliegende Album eindrucksvoll. „1997-2013 (Best Of + Rare Tracks)“ weiterlesen

Sparta - Trust The River

Auf zu neuen Ufern – das Album nach dem Überalbum – Altersmilde: Sparta bieten einem Plattenkritiker viele Anknüpfungspunkte um über Trust The River zu schreiben. Aber dann ist das Album doch nicht so einfach. Erwartungen werden enttäuscht, man gewöhnt sich daran und naja, ist man nicht selbst auch 14 Jahre älter geworden? Doch der Reihe nach.

„Trust The River“ weiterlesen

Thees Uhlmann - Junkies und Scientologen

Thees Uhlmann ist zurück. Ja, der Thees, der die Silben immer so penetrant lang zieht und mit Tomte ein Aushängeschild für deutschsprachigen Indie-Rock Anfang 2000 war. Ja der Thees, der mit Markus Wiebusch (Kettcar) Grand Hotel van Cleef betreibt und damit einen Hafen für Indie-Rock und Pop in Deutschland etabliert hat. Ja, der Thees, der 2011 ein starkes Soloalbum hatte und von Anfang an Casper gefeatured hat. Ach ja, ein Buch hat er auch geschrieben und „Sophia, der Tod und ich“ soll richtig gut sein. Sein neues Album heißt Junkies und Scientologen und er hat fünf Jahre nicht gesungen. „Junkies und Scientologen“ weiterlesen

Muff Potter - Colorado

Jetzt ist es also passiert. Muff Potter kommen zurück, und der Platten-blog erwacht aus seinem Winterschlaf. Gibt es einen besseren Grund als diese B-Seiten Zusammenstellung unserer Lieblings Angry-Pop-Musiker? Ist der ganze Trubel zu Muff Potters Re-Union, Re-Issue und Re-Touring nur ein bunter Kirmesausflug, wo alle (bitte) gewinnen. Oder ist das vielleicht sogar der Start in eine neue Phase der Band? Kann der Funken auch 10 Jahre danach wieder überspringen? „Colorado“ weiterlesen

Itchy - All we know

Altersmilde? Erst gefällt mir das neue Donots Album richtig gut, und jetzt eine Rezension zu dem neuen Album All we know von Itchy, The artist formely known as Itchy Poopzkid. Waren beide Bands Anfang der 00er Jahre noch auf einem Kommerzmucke-Level weit draußen mit Guano Apes ("Dödel Up", anyone?), habe ich den Donots nach einer flammenden Brandrede von UNCLE M zu meinem Glück eine Chance gegeben. 2017 eine neue Brandrede. Klappt das Wunder ein zweites Mal? „All we know“ weiterlesen

Miss Vincent - Somewhere Else

Die sympathischen Briten von Miss Vincent bezeichnen ihre Musik selbst als Alternative, Emo, Pop, Punk. Das trifft die Sache ganz gut. Packen wir noch ALKALINE TRIO mit dazu, skizzieren wir die neue EP Somewhere Else treffend.

Es muss nicht immer eine ganzes Album sein, dass mit ein paar tollen Songs aufwartet, aber mindestens so viele Füller enthält. Eine starke EP ist mir da viel lieber. Mit Somewhere Else haben Miss Vincent ein großes Ausrufezeichen im kleinen Format gesetzt.

Die fünf Song starke EP prescht nach kurzem Intro im ersten Song Cold Hands direkt und ohne Umschweife nach vorne. Das Schlagzeug gibt den Takt vor – Sänger Alex Marshall zieht nach und der geneigte Punkhörer fühlt sich gleich wohl. Dass dabei Melodien nicht zu kurz kommen dürfen, wird im Refrain deutlich. Mit welch sicherer Hand das Songwriting geschieht, indem sich die Parts perfekt aneinanderschmiegen, ist für so eine junge Band bemerkenswert. Ähnliches Potenzial zeigt sich in The Western Shore.

Das vorab veröffentlichte The Lovers erinnert an den US College Punk Anfang der 00’er Jahre. Klingt schlimmer als es ist und gewinnt in der Miss Vincent durchaus Charme. Ebenfalls macht das ruhige Beauty in Darkness Lust auf die Emo Seite der Briten. Dabei blitzt gerade bei dem Song My Chemical Romance raus.

Bei vier Volltreffern lässt sich verzeihen, dass das in der Mitte der EP stehende Lost and Forgotten ein wenig die Puste ausgeht. Musikalisch durchaus reizend umgesetzte Emopunk Klänge treffen auf einen unerwartet uninspirierte Gesangslinie und macht den Song am ehesten zu einem Kandidaten für die Skip Taste.

„Somewhere Else“ weiterlesen

Die Toten Hosen - Laune der Natur

Die Tage ist also das neue Album der Toten Hosen erschienen. Laune der Natur hat dabei einen schweren Stand. Viel ist seit 2012 geschehen, seit der Vorgänger Ballast der Republik erschien und die Band es mit der Single Tage wie diese bis auf die Wahlsieg Feier der CDU geschafft hat.  Die Toten Hosen sind Mainstream geworden. Haha, sind sie das nicht schon seit 10 kleine Jägermeister? „Laune der Natur“ weiterlesen