Alles beim alten bei Deutschlands besten Indie-Pop Textern? Naja, fast. Im Gesamtbild von Kettcar wird dezent die rockige Seite ausgebaut.
Ein Kettcar Album braucht seine Zeit. So war es bei „du und wie viele von deinen Freunden“ und so war es bei „Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen“. Deswegen habe ich es mir nicht im April gekauft sondern erst kürzlich während der derzeitigen „Platten Flaute“. Damals gab es zu viele großartige CDs, und Kettcar CD sollte man seine Zeit geben.
Und das war auch diesmal gut so. Ich war nicht von Anfang an begeistert. Zu altbekannt klang das ganze. Als hätten sich Kettcar nur ein paar weitere Themen rausgesucht und dazu ein wenig ihre Fähigkeit, großartige Texte zu verfassen, rausgelassen. Die Veränderungen? die verstärkte Wut? Naja Nuancen statt Neubeginn trifft es besser.
Doch dann… nach ein paar Mal hören kamen die ersten Perlen zum Vorschein. Die großartige, melancholische Stimmung bei „Am Tisch“ (Siehe Video-Link), die Abrechnung mit Menschen, die nur noch auf und für die Arbeit leben (Geringfügig, befristet, raus) – was für ein genialer Sing a long Refrain – und natürlich Graceland. Am Beispiel Elvis pranget Kettcar die Millionen Menschen an, die in ihrer eigenen Vergangenheit leben, die Gegenwart nur noch verzerrt wahrnehmen und ablehnen (Man ist jung oder tot) und sofort auf die Rückspultaste des Lebens drücken würden, nur um wieder glücklich zu sein (Wir würden alle sofort von vorn anfangen, Wir hatten Songs, Sex, Alles wie immer, nur jünger)
Und auf einmal… zündete das gesamte Album. Einzig Fake for real ist unnötig und ersetzbar. Markus Wiebusch verurteilt über wabbernden Elektro Sounds die Wirtschaft. Kunstvoll ja, aber auf Dauer stört es den Fluß des Albums zu stark und ist einfach anstrengend zu hören. 2-3 Titel sind nett, aber keine Highlights (Agnostik für Anfänger, Thematisch gehts um Langeweile und die musikalisch ist entsprechend ein wenig). Haben im Gesamtwerk aber durchaus ihre Berechtigung.
Nach den introvertiert, romantischen letzten beiden Werken, verurteilen Kettcar nun die Fake-Gesellschaft (Sylt ist ein perfektes Bild dafür). Der rauhere, wütende Ton in Lyriks zieht auch (aber nur abgeschwächt) in die Musik ein. Vielen Liedern steht das raue Gewand gut. Für Fans nichts wirklich Neues, aber eine weitere gute CD. Das Konzept Kettcar funktioniert (noch?)…
Und wie beendet man eine Kettcar Rezi??? Genau mit einem Zitat. „Überall lauern Barbie und Ken, du kriegst in/out Listen und Top10, für jeden Mist den keiner braucht“ In dem Sinne – „Das ist Graceland baby“
Plattenkritik von Bjoern, 09.11.2008
Gesamtpunktzahl: 70%
Schöne Rezension eines schönen Albums…
Nur das Ende des Videos zu „Am Tisch“ finde ich etwas seltsam.