Spiegel Online singt Lobeshymnen und tituliert Deutschland einig Hinterland; in den deutschen Musikforen zerreisst sich das Volk sein Maul über den „Pseudo Rapper“; Teenies kaufen die Regale leer; Und über allem thront Casper mit Hinterland auf Platz 1 in den Album Charts – Was ist Ende September 2013 in Musik Deutschland los?
Das neue Album von Casper ist erschienen. Stellen wir das doch gleich klar. Dies ist kein Hip Hop Album. Nennen wir es doch einfach Sprechgesang. Denn Hinterland ist so wenig Hip Hop wie Nickelback Grunge sind. Aber das versucht das Album auch nie zu sein. „Dies ist kein Abschied, denn ich war nie willkommen. Will auf und davon und nie wiederkommen.“ interpretiert man die erste Zeile von Im Ascheregen auf die musikalische Entwicklung ist die Richtung vorgegeben.
Vom Hinterland ins Stadion. Der düstere Emo Rap von XOXO musste dazu teilweise einem neuen Soundbild mit stärkeren Gitarren Fokus weichen. Immer noch voll von Pathos kommen die Lieder dadurch deutlich rockiger daher. Aber auch Bläser, Streicher oder Cheerleader Chöre stellen für Casper kein Problem mehr da. Verantwortlich dafür sind wohl auch die Produzenten Markus Ganter und Konstantin Gropper, letzterer bekannt durch Get Well Soon. Gastauftritt ist konsequenterweise diesmal nicht Thees Uhlmann sondern Kraftklub und Editors Frontmann Tom Smith. Das klingt alles stark nach Mainstream und ist ein wenig gewöhnungsbedürftig, aber gefällt dann doch. Sei es der Gitarren + Handclaps Rhythmus in der Strophe des Titeltracks Hinterland, die gute Laune von Alles endet (aber nie die Musik) oder die nach vorne treibenden Bläser in der Bridge von …nach der Demo gings bergab. Gerade am Anfang zündet Casper ein Feuerwerk und ist kaum wiederzukennen. Ab 20qm kommt die Melancholie zurück und das Album fährt ein Stückweit auf XOXO Emo-Rap Bahnen. Richtig überraschend ist La Rue Morgue, in dem sich Casper neben Tom Waits an das alte, verstimmte Piano zu setzen scheint.
Über Casper Texte konnte man sich schon immer streiten. Auf Hinterland besser denn je, pendelt er doch zwischen sehr schwammigen offen gehalten Texten und sehr präzise beschriebenen (Pseudo?-) Erlebnissen. „Wir fanden eine Wohnung und liebten sie im Industriegebiet, Miete viel zu viel, dein Vater unterschrieb und lieh das Geld für die Kaution.“ Dazu etwas Straßeneck Philosophie, Zitaten und Selbstbeweihräucherung, einmal umrühren und schon stehen die Texte. Beispiele gefällig? Gern: „Die leeren Gläser der Theke sind beste Lupen auf’s Leben“; „Ein drittel Heizöl, zwei drittel Benzin“ oder „Ein paar wollten’s probieren, versucht ihn zu kopieren und schon ist es wieder mal Zeit für das Original„.
Nicht nur im Sound, sondern auch in Caspers Lyrics macht sich Positivismus breit. „Schön schräg, gerade ist alles ganz schön OK“ oder trotzig in Ariel: „Am Ende wird alles gut und ist es nicht gut, ist es verdammt noch mal nicht das Ende.“ Dies ist nicht hochintellektuell oder gar Tränen ergreifend authentisch, erfüllt aber im Popkontext seinen Sinn.
Stichwort Pop: Was sollen gute Pop Alben? Unterhalten – und genau das tut Hinterland vortrefflich. Viel Abwechslung und hohe Eingängigkeit machen ein gutes Pop Album mit Sprechgesang Elementen. Gar nicht so spektakulär oder die Nation spaltend wie der Medienrummel es vermuten lässt.