Dies ist eine Geschichte einer Band, die so schon oft geschrieben wurde. Die Band trifft mit dem ersten rohen Album den Nerv der Zeit, legt ein zweites großartiges Album (ein „Meilenstein“) hin, indem der Stil gefestigt und das Songwriting ein wenig verfeinert wird. Und dann kommt ein weiteres Album, bei dem die Band an die Türen der großen Stadien der Welt klopft. Die Rohheit ist verschwunden, Pop und Eingängigkeit hat Einzug gefunden. Das Überraschungsmoment ist weg. Die Band diesmal: The Gaslight Anthem . Das Album: American Slang.
Aber diesen Weg sind auch andere Bands vor Ihnen gegangen, mal besser, mal schlechter: Beatsteaks (Limbo Messiah, mittelmäßiges letztes Album), Mando Diao (Give me Fire, in alle Richtungen explodierend und daher ganz stark) und Kings of Leon ( Only by the night, streckenweise der Soundtrack zum Fremdschämen).
Und wie ergeht es Gaslight Anthem nach ihrem Meilenstein The ’59 sound? Beim ersten Hören der Vorabauskopplung ahnte ich Fürchterliches. Weich, melodisch und irgendwie sich selbstkopierend, war mein erste Meinung. Umso mehr zitterte ich dem Auftritt auf dem diesjährigen Southside entgegen. Einem Tag nach der Veröffentlichung des Albums zeigten die Jungs um Brian Fallon, wie wunderbar die neuen Lieder mit den alten harmonierten. Fäuste wurden zum Himmel gereckt und gemeinsam feierten Fans nachmittags vor der Hauptbühne ihre Band textsicher. Allen Grund also Montag morgen in der Mittagspause direkt das Album zu kaufen. Und da war es wieder, das Gefühl. Weich, melodisch und sich irgendwie selbstkopierend?
Liegts an der schlecht abgemischten, laschen Produktion? Live haben die Lieder doch überzeugt.
Doch so schnell gab ich nicht auf. Über ein Dutzend Durchgänge später revidiere ich meine Meinung. Auch wenn die Lieder insgesamt ein wenig ruhiger und poppiger ausgefallen sind, schaffen sie es doch einen wieder mitzureissen. Gerade The spirit of jazz, zeigt ausgereiftes Songwriting mit einem klasse, sich nach vorne peitschenden bzw. hochschraubenden Refrain. Die Band überrascht mit dem soulig, fingerschnippsigen The Diamond Church Street Choir und erinnert zumindest instrumentalisch bei We did it when we were young streckenweise gar an ein hymnisches Hurt. Man stellt sich schon die Stadionszenen vor, in denen sich Fans im Arm liegen, Feuerzeuge geschwungen werden und der Refrain mitgegrölt wird. Experimente im Universum Gaslight Anthem also gelungen.
Auf der anderen Seite sind durch die beiden Vorgänger die Erwartungshaltungen derart hoch, dass Ernüchterung vorprogrammiert ist.Bring it on und Orphans sind ok, aber es fehlt hier der Punk der frühen Tage. Sie sind einfach zu harmlos.
Textlich verlassen sie sich auf bewährtes: Geschichten, die das Leben schreibt, ohne sich lang mit rethorischen Feinheiten aufzuhalten. Diesmal jedoch alles einen Ticken melancholischer: „Don’t sing me your songs about the good times, those days are gone and you should just let ‚em go“ oder „But I am older now and we did it when we were young“. Dies passt hervorragend zur etwas ruhigeren Grundtenor des Albums.
Fazit: In unserer oben aufgestellten Liste gesellen sich The Gaslight Anthem damit irgendwo zwischen Beatsteaks und Mando Diao. Da ist also noch Luft nach oben beim nächsten Mal. Oder wie es Dennis von Plattentests hier so treffend formuliert hat. „Wir hatten die größten Erwartungen und wurden am Ende kaum enttäuscht.“ Hoffen wir also das die sympatische Band aus New Jersey beim nächsten Mal nicht ganz die Punk Einflüsse verliert und eines Tages in die Klischee Falle tritt. Social Distortion hat jedenfalls vorgemacht wie es richtig geht.
Plattenkritik von Bjoern, 28.06.2010
Gesamtpunktzahl: 70%
Ein Gedanke zu „American Slang“