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Junkies und Scientologen

Thee Uhlmann - Junkies und Scientologen

Thees Uhlmann ist zurück. Ja, der Thees, der die Silben immer so penetrant lang zieht und mit Tomte ein Aushängeschild für deutschsprachigen Indie-Rock Anfang 2000 war. Ja der Thees, der mit Markus Wiebusch (Kettcar) Grand Hotel van Cleef betreibt und damit einen Hafen für Indie-Rock und Pop in Deutschland etabliert hat. Ja, der Thees, der 2011 ein starkes Soloalbum hatte und von Anfang an Casper gefeatured hat. Ach ja, ein Buch hat er auch geschrieben und „Sophia, der Tod und ich“ soll richtig gut sein. Sein neues Album heißt Junkies und Scientologen und er hat fünf Jahre nicht gesungen.

Und so geht auch gleich der erste Song auf seinem dritten Soloalbum los. Zu einem Keyboard Motiv, das sich an Foreigners „Cold As Ice“ anlehnt, erzählt Thees Uhlmann schemenhaft seine Geschichten. Dabei springt er zwischen Alltagsweisheiten, persönlichen Erlebnissen und Popkultur so umher, dass es einem schwindlig wirrt. Das ist mitreißend und weckt das Verlangen, Justus Jonas zur Deutung zu Rate zu ziehen. „Das Leben ist kein Highway, es ist die B73“. Doch die vollständige Deutung ist unmöglich und auch gar nicht gewollt. Das Album, so verrät uns Thees Uhlmann in einem Visions-Interview, orientiert sich an der dee eines Fanzines, die zelebriert die Vermischung von Persönlichem und Popkultur.

Nirgends wird das deutlicher als im Titeltrack, wo der Priester aus der Mönckebergstraße sich neben Bob Marley, Bob Dylan, Bob Andrews und Bob Ross reiht. Und auch hier stellt Thees Uhlmann klar, was wir schon seit langem Wissen: Thees ist für alle da. „Und ich komme dich besuchen, egal ob Stammheim oder Bundeskanzleramt.“

Junkies und Scientologen huldigt der Popkultur

Dazwischen findet sich eine Hommage an Stephen King („Danke für die Angst“), bei der Thees Uhlmann den Fanboy gibt und mit seinem Zitat-gespicktem Text seine Aufwartung an den Altmeister des Horror-Romans macht. Und auch der Uptempo-Song Avicii, der mit seinem kruden Bildern für Stirnrunzeln sorgt (der Jürgen Klopp des deutschen Rock??), aber dann so schöne Sätze wie „elektronische Musik kann man sich so selten schöntrinken“ enthält. Wir erfahren weiterhin, dass Scorpions in Stranger Things sind und dass Katy Perry auf der Wunschliste des Grand Hotel van Cleefs steht.

Das ist alles Popkultur-Nerdtum in Perfektion mit einem Hang zum Namedropping. Es funktioniert an vielen Stellen hervorragend. Aber leider nicht immer und hier verstärkt sich das Gefühl, dass die Musik zu viel im gemütlichen Midtempo versinkt, zu selten etwas riskiert und schweißgebadet los rockt. Junkies und Scientologen funktioniert auch wunderbar ohne „100.000 Songs“ oder „Menschen ohne Angst wissen nicht, wie man singt“. Diese Kandidaten für die Skip-Taste zeigen, dass Thees nun einmal immer ähnlich singt, und auch die Band schafft es hier nicht Akzente zu setzen. Anders verhält es sich dann im Schlussstück „Immer wenn ich an Dich denke, stirbt etwas in mir“. Es beginnt wie eine – weitere – Ballade, die sich gegen gegen Ende so herrlich steigert, daß selbst Thees sich nicht mehr halten kann. Es aus ihn rausbricht. „Du sagst, eins und eins wird immer zwei ergeben. Und was ich habe ist meins. Ich frage dich, warum werden dann zwei Tropfen Wasser auf einem Blatt immer eins?“ Und mit diesem kurzen Blick in seine innerste Gefühlswelt entläßt er uns von diesem Album.

Ziel erreicht?

Wird Thees Uhlmann mit Junkies & Scientologen neue Fans gewinnen? Wahrscheinlich eher nicht. Stattdessen freuen sich seine Fans über eine Handvoll kluger Ideen und witziger Anekdoten, ein Album mit bei dem Identifikations-Potenzial groß geschrieben wird und vor allen Dingen die Gewissheit, dass man mit Anfang / Mitte Vierzig noch nicht zu alt für ein Konzert ist.

Junkies & Scientologen Tracklist:
Fünf Jahre nicht gesungen; Danke für die Angst; Avicii; Was wird aus Hannover; 100.000 Songs; Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt; Junkies und Scientologen; Katy Grayson Perry; Menschen ohne Angst wissen nicht, wie man singt; Ein Satellit sendet leise; Die Welt ist unser Feld; Immer wenn ich an Dich denke, stirbt etwas in mir
Thees Uhlmann Junkies & Scientologen
Grand Hotel van Cleef / Indigo, 20.09.2019
Plattenkritik von , 15.10.2019
Gesamtpunktzahl: 70%

Autor: Bjoern

ist leidenschaftlicher Musik-Blogger. Von Indie-Pop über Schweden Rock bis hin zur neuesten Hardcore Scheibe rezensiert Björn, alles was ihm unter die Finger kommt und mit Gitarre zu tun hat.

Album kaufen: Amazon| iTunes

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